Ein Theater im italienischen Stil, das einzige in der Schweiz

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Das Teatro Sociale von Bellinzona ist das einzige noch existierende authentische Logentheater im italienischen Stil in der Schweiz. Als solches gehört es zur Europäischen Route Historische Theater.

 

Es gibt keine Kodifizierung und kein abstraktes Modell des Theaters im italienischen Stil. Es handelt sich vielmehr um eine architektonische Typologie, welche sich in der Konstruktionspraxis der Bauten für die Aufführung von Melodramen in Italien zwischen dem XVII und dem XVIII Jh. entwickelt hat, um eine möglichst gute Akustik, eine optimale Funktionalität auf der Bühne, eine maximale Wirkung der Inszenierung und den höchsten Genuss für das Publikum zu erreichen. So ergibt sich eine standardisierte Struktur des Bühnenbereichs und der Publikumsräume, die als Theater im italienischen Stil bezeichnet wird. Dank der Verbreitung des Musiktheaters wird diese Struktur zum idealen Modell der europäischen Theaterarchitektur während drei Jahrhunderten bis ins XX. Jahrhundert hinein. Dieses Modell findet seinen vollen Ausdruck definitiv an der Mailänder Scala (1778), von welchem auch das Teatro Sociale von Bellinzona sehr deutlich inspiriert worden war.

 

Wenn ein Theatergebäude alle oder fast alle sechs Eigenschaften eines Theaters im italienischen Stil aufweist, dann wird es als zu dieser Kategorie gehörend bezeichnet. So das Teatro Sociale Bellinzona.

1. Trennung zwischen Publikum und Bühne

Im Theater im italienischen Stil gibt es eine rigorose und kodifizierte Trennung des realen Raums des Publikums vom illusorischen Raum der Bühne dank dem Bühnenrahmen (mit dem Bühnenbogen) und dem Vorhang. In der Mitte, zwischen Realität und Fiktion, befindet sich die Vorbühne, deren Bedeutung von den Logen der Vorbühne unterstreicht wird.


Typisch ist die strikte Unterscheidung des Publikumsbereichs vom Künstlerbereich, welche sich in unabhängigen Gebäudeteilen, Dienstbereichen und Strukturierung der Räumlichkeiten niederschlägt.

 

Mit der architektonischen Hervorhebung des Bühnenrahmens, welcher durch den Bühnenbogen der Vorbühne akzentuiert wird, und mit dem Gebrauch des Vorhangs kodifiziert sich die vierte Wand, die zusammen mit dem Effekt der Tiefenwirkung die szenische Illusion potenziert. Diese kann durch den Schauspieler auf der Vorbühne durchbrochen werden, wo er aus der Rolle heraustritt und sich direkt an das Publikum wendet und wo er den Applaus bei geschlossenem Vorhang entgegennimmt.

 

Vom Parkett aus gesehen scheint die Linie der Vorbühne des Teatro Sociale dekliniert, was an die statischen Probleme erinnert, die sich im Lauf der Jahren angehäuft hatten (und die sich auch an anderen Stellen manifestieren, wie beim Zutritt zum Parkett). Die Vorbühne des Teatro Sociale wird überragt von den graziösen Logen der Vorbühne, welche sich von den anderen Logen unterscheiden und von jenen bevorzugt werden, die eine spezielle Sicht auf das Bühnengeschehen wünschen.

2. Publikum im Parkett, Logen und Galerie

Wichtigstes merkmal der Logentheater im italienischen Stil ist die Dreiteilung der Publikumsbereiche:

  1. Nicht abgestuftes Parkett;
  2. Getrennte Logen mit eigenem Zugang, in diversen Rängen übereinander (normalerweise 3 bis 5) verteilt, hinten miteinander durch Gänge verbunden und in der Mitte die sog. Königsloge;
  3. Galerie ohne Unterteilung in der obersten Reihe.


Das Theater im italienischen Stil schafft die Freitreppe und die Abstufungen ab, die typisch der griechischen Theater waren, die an einem Hang gebaut wurden. Das Parkett ist also nicht abgestuft.

 

Die Zuteilung der Plätze im Logentheater im italienischen Stil wird von der sozialen Hierarchie bestimmt. Das Volk findet Platz im Parkett (auch für Bälle genutzt) und in der Galerie, stehend oder auf einer Bank sitzend. In den Logen nehmen die Adelsfamilien und die städtische Bourgoisie Platz. Im zweiten Logenrang sitzen die vornehmsten Familien. In der Mitte des zweiten Rangs befindet sich die sog. Königsloge vis-à-vis der Bühne, die grösster und prunkvoller ausgestattet ist als alle anderen.

 

Die Logen haben geschichtlich gesehen drei Funktionen:

  1. Finanzierung des Baus des Theaters mittels der Beteiligung verschiedener Aktionäre an der Theatergesellschaft (auf Italienisch “Società del Teatro”, deshalb der Name Teatro Sociale für das Gebäude) - die Gesellschafter bekommen als Gegenleistung den exklusiven Gebrauch einer Loge;
  2. Förderung des gesellschaftlichen Lebens der Besitzer einer Loge;
  3. Eigeninszenierung der Logenbesitzer in ihrer Loge vor der ganzen Stadt.

Das Theater von Bellinzona hat nur zwei Logenränge und ist das einzige Theater in der Schweiz mit komplett getrennten Logen. Die sog. Königsloge heisst in Bellinzona Regierungsloge: dies weil am 15. Mai 1846 der Grosse Rat des Kantons Tessin der teilweisen Demolierung der Stadtmauer zugestimmt hatte, um Platz für das Theater zu schafffen, unter der Bedingung, dass die zentrale Loge zu Repräsentationszwecken für die Regierung bestimmt sei.

 

Am Teatro Sociale wurden jeweils zu Beginn der Saison die Logen unter den Aktionärsfamilien verlost. Auf diese Weise konnten Unstimmigkeiten vermieden werden.

3. Grosszügige Bühne und Tiefenwirkung

Geneigte Bühne von grosser Dimension (bes. in die Tiefe) mit Kulissen die die Tiefenwirkung verstärken. Bühnenturm mit Gitterwerk und raffinierten Bühnenmaschinen für verschiedene Ton- und Bildeffekte.

 

In der Tradition des Theaters im italinischen Stil wird nicht vor der Kulisse gespielt, sondern im Bühnenbild. Bereits 1585 am Teatro Olimpico in Vicenza wurde als Bühnenbild eine Stadt in Perspektive installiert. Die Schauspieler konnten sich darin bewegen. Der perspektivische Effekt wurde mit der Neigung der Bühne (Illusion des Anstiegs ins Unendliche) und fünf Wegen erreicht, die vom Zentrum der Bühne zu den Kulissen führten (daher der italienische Ausdruck “quinte teatrali”).

 

Die Bühne des Teatro Sociale ist grosszügig trotz eines engen Raums. Ihre Neigung beträgt 3%.

4. Orchestergraben

Tiefer liegend als die Linie der Bühne, vor der Vorbühne und teilweise unter der Bühne befindlich, bietet der Orchestergraben grossen Orchestern genügend Platz ohne viel Raum zu gebrauchen und ohne die Sicht des Publikums im Parkett zu beeinträchtigen.

 

Das Teatro Sociale von Bellinzona hatte nie einen Orchestergraben. An seiner Stelle wurden im Laufe der Renovationsarbeiten in den Jahren 1993 bis 1997 Notausgänge angelegt.

5. Hufeisenförmiger Theatersaal

Der hufeisenförmigee Saal mit einer tiefergelegenen Kurve der Decke hat sich zwischen dem XVIII und dem XIX Jh. durchgesetzt, um die Akustik zu optimieren, was sehr wichtig für die Oper war.

 

Als willkommene Nebenwirkung akzentuiert die Hufeisenform die Illusion der Perspektive. Die zwei Innenwände des Saales konvergieren mit dem Fluchtpunkt im Hintergrund der Bühne.

6. Maximale Nutzung des Raumes

Maximale Nutzung des Raumes für Saal und Bühne zulasten der Nebenräume und des Dienstbereiches, der Repräsentanzräumen, des Eingangs, der Treppen und Gänge, der Erfrischungsräume, der Garderobe.


Viele Theater, die in Italien zwischen dem XVII. und dem XVIII. Jh. entstanden, waren in privater Hand und mussten den grösstmöglichen Gewinn aus dem vorhandenen, oft knappen Raum anstreben. Ein Beispiel dafür ist die Anordnung der Treppen im verbleibenden dreieckigen Raum zwischen der Kurve der Logen und der geraden Mauer des Gebäudes. Wenig Platz gibt es für das Zusammensein und die Bequemlichkeit des Publikums. Ganz anders verhält es sich im französischen Theatermodell (z.B. das Théâtre de l'Opéra in Paris), welches die Repräsentierungsfunktion des Theaters unterstreicht.

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